"Dann wird beim Personal aussortiert"
Manche Unternehmen sind derzeit zu großen Kompromissen bereit, um offene Stellen mit Fach- und Führungskräften zu besetzen. Eine gute Ausgangsposition für Bewerber, um Forderungen im Einstellungsgespräch durchzusetzen. Doch wer zu hoch pokert, kann seinen Job schnell wieder los sein. Denn die Branchen, die derzeit boomen, sind als erste von einem Abschwung betroffen, sagt Kathrin von Hardenberg, Geschäftsführerin von Indigo Headhunters.
Kathrin von Hardenberg: Sie fangen an – und das müssen sie auch -, Kompromisse zu machen. Das heißt, sie schauen eventuell nicht mehr so kritisch auf das Profil der Bewerber und machen Abstriche bei den Anforderungen. Derzeit werden zum Beispiel Personen in einer Führungsposition eingestellt, die zwar Führungspotenzial aufweisen, aber vorher noch keine Erfahrungen damit gemacht haben, ein Team zu leiten. Oder jemand bekommt den Job, der mit Blick auf die Wertevorstellungen oder Arbeitsweise eigentlich gar nicht so gut in das Unternehmen passt. Aber die Firma kann es sich nicht leisten, eine Stelle noch länger unbesetzt zu lassen.
von Hardenberg: Ja, der Quereinstieg ist heute viel einfacher möglich als noch vor ein paar Jahren. Kandidaten wird ganz anders zugestanden, Inhalte in der neuen Position dazuzulernen und Fähigkeiten zum Beispiel mittels eines jobbegleitenden Coachings weiterzuentwickeln.
von Hardenberg: Nicht jeder wird auf diesen Stellen bleiben können. Wenn weniger gebaut, entwickelt und investiert wird, wird auch beim Personal aussortiert. Von Mitarbeitern in der Probezeit können sich Unternehmen immer schnell trennen. Aber es ist grundsätzlich auch finanziell günstiger, sich von denjenigen zu trennen, die noch nicht so lange zum Unternehmen gehören.
von Hardenberg: Alles, was transaktionsgesteuert ist, wäre betroffen. Also vor allem die Bereiche Investment und Projektentwicklung, aber auch Makler. Das sind genau die Unternehmen, in denen jetzt ein enormer Bedarf besteht. Es wird dann genau geschaut: Wo sind die Highperformer und wo nicht? Da lohnt sich auch ein Blick zurück in die Jahre 2008/09: Kurz vor der Krise haben zum Beispiel viele Spezialisten aus dem Bereich Investment den Job gewechselt. Das waren im Zweifelsfall diejenigen, von denen sich der Arbeitgeber als erstes trennte, als die Geschäfte nicht mehr so gut liefen.
von Hardenberg: Sie sollten sich auf jeden Fall das Unternehmen, in das sie wechseln wollen, genau anschauen und sich fragen: Wie ist es aufgestellt und wie würde es reagieren, wenn die Geschäfte nicht mehr so rundlaufen?
von Hardenberg: Interessant ist es zu schauen, wie sich der mögliche neue Arbeitgeber nach der Krise 2008/09 verhalten hat: Ist er bekannt für eine starke Fluktuation von Personal? Reagiert er sehr kurzfristig auf Marktveränderungen? Ausländische Investmentunternehmen, die sehr opportunistisch am Markt unterwegs sind, agieren oft recht kurzfristig. Sie sind in der Lage, vergleichsweise schnell ihre Investmentstrategie zu ändern und entsprechende Teile ihres Portfolios abzustoßen. Eine Firma, die nur deutsche Büroimmobilien im Bestand hat, wird dagegen langfristiger im Markt unterwegs sein und sich dementsprechend auch nicht so schnell von Mitarbeitern trennen wollen.
von Hardenberg: Wenn die Geschäfte schlechter laufen, schauen die Unternehmen ganz genau hin und stellen sich die Frage: Wer bringt uns mit Blick auf Erfahrung und Gehalt am meisten? Da kann es für diejenigen, die mit vergleichsweise hohen Gehältern die Jobzusage bekommen haben, eng werden.
von Hardenberg: Wenn die Transaktionen wegfallen, spielt die Bestandspflege, also das Asset-Management, eine umso größere Rolle. Dann wird an dieser Stellschraube alles gedreht, was möglich ist, und es braucht erfahrene Experten, die sich kümmern. Ähnlich sieht es bei der Finanzierung aus: Dann sind Leute gefragt, die in Refinanzierungen und Umstrukturierungen tief greifende Erfahrung haben. Hier kann es dann auch Fluktuation beziehungsweise Wechsel und zusätzliche Einstiege geben. Denn es ist nicht möglich, diesen Bedarf mit Kollegen zu decken, die noch nicht so erfahren sind.
von Hardenberg: Die eine oder andere Position, die normalerweise in London wäre, könnte nach Deutschland wandern. Das gilt für Banken, Finanzdienstleister oder auch Fonds. Aber die Stellen, die aufgebaut werden, können nicht die kompensieren, die in Zeiten des Abschwungs abgebaut werden.
von Hardenberg: Viele der Geschäftsführer und Abteilungsleiter, die heute Mitarbeiter einstellen, haben die Krise 2008/09 miterlebt und gehen sehr reflektiert mit dieser Situation um. Das heißt, die Häuser stellen Mitarbeiter ein, weil sie die aktuelle Arbeitsflut bewältigen müssen. Aber es wird nicht über den Bedarf Personal aufgebaut in der Erwartung, dass kurzfristig noch mehr Mitarbeiter benötigt werden.
Das Interview führte Katja Bühren.