Arbeitsplatz in München? Nein, danke!
Die hohen Mieten in München schrecken Bewerber um Jobs in der örtlichen Immobilienbranche ab. Personalberaterin und Headhunterin Sabine Märten erkennt erste Ansätze für ein Entgegenkommen der Arbeitgeber.

Sabine Märten: Bei der Personalsuche gerade für mittelständische Immobilienunternehmen ist München zu einem Standortnachteil geworden. Wenn ich im Rahmen von Mandaten 500 potenzielle Kandidaten anspreche, sind inzwischen nur noch zwei oder drei davon bereit, nach München umzuziehen. Vor ein paar Jahren war diese Zahl doppelt bis dreifach so hoch.
Märten: München ist eine teure Stadt mit sehr hohen Lebenshaltungskosten. Vor allem die Mieten haben in den vergangenen Jahren stark zugelegt. Eine Einzimmerwohnung mit einer Kaltmiete unter 1.000 Euro ist kaum mehr zu finden. Gleichzeitig liegt die Immobilienbranche generell im Segment der unteren 30% der in Deutschland erzielbaren Gehälter. In vielen DAX-Unternehmen, BMW, Allianz, Münchner Rück, bei Microsoft, Google und internationalen Kanzleien zum Beispiel wird mehr gezahlt. Ausgaben und Einnahmen der Kandidaten passen nicht mehr zusammen. Selbst Akademiker wie Bauingenieure und Asset-Manager auf Senior-Level mit einem Jahresbruttogehalt von 80.000 bis 100.000 Euro wohnen nicht mehr in der Stadt, sondern weit draußen. Manchmal sogar etwa 100 km weit weg. Denn dort sind Mieten und Wohneigentum für sie bezahlbar.
Märten: Wenn Sie Auto fahren, stehen Sie morgens ab 7:30 Uhr in kilometerlangen Staus. Der einfache Weg zur Arbeit kann da 1,5 Stunden dauern. Die älteren Mitarbeiter, meistens ab 45 Jahren, machen das mit. Die jungen aber nicht mehr. Sie achten mehr auf die Work-Life-Balance.
Märten: Die Bahn ist leider nicht immer ein Ersatz. Sie braucht zu lange und ist nicht zuverlässig genug. Und die U-Bahnen sind oft überfüllt. Das Radfahren hat allerdings stark zugenommen – teils sogar auf Langstrecken.
Märten: Das würde es den Kandidaten einfacher machen, eine geeignete Wohnung zu finden. Aber die Unternehmen zögern bei diesem Punkt. Der Gehaltsaufschlag für die höheren Lebenshaltungskosten in München dürfte allein schon etwa 10% bis 20% des Jahresbruttogehalts ausmachen. Hinzu kommt der erwartete Aufschlag dafür, dass der Kandidat seinen alten Arbeitgeber verlässt und die neue Aufgabe annimmt. Dieser liegt nochmals bei 10% bis 30%. Insgesamt wären dem Kandidaten 30% bis 50% mehr Gehalt zu zahlen. Das sprengt die bislang geltenden Gehaltsstrukturen. Der Mitarbeiter wird zu teuer, das Risiko des innerbetrieblichen Unfriedens nimmt zu.
Märten: Eher große Unternehmen bieten den Kandidaten die Zusammenarbeit mit einem Relocationservice an, der sie bei der Wohnungssuche unterstützt. Manche mieten sogar Wohnungen an und stellen sie dem künftigen Kollegen zur Verfügung. Ein Unternehmen, das in München 9.000 Mitarbeiter hat, hat jüngst angekündigt, 3.000 Werkswohnungen zu bauen – und zwar für alle Einkommensschichten. Das zeigt, es ist nicht nur eine Frage, ob man sich in München eine Wohnung leisten kann, sondern auch, ob man überhaupt eine findet. Kleine Immobilienunternehmen hingegen nutzen – wenn auch immer noch selten – kostengünstigere Möglichkeiten, den Kandidaten zu unterstützen. Sie bezahlen ihm für eine Übergangszeit Mietzuschüsse für möblierte Apartments.
Märten: Ja, es gibt Unternehmen, die kommen ihren Mitarbeitern räumlich entgegen. Das heißt, sie mieten zusätzliche Gewerbeflächen im Norden und/oder Süden von München an. Dort sitzen dann die Mitarbeiter mit längeren Anfahrtswegen. Ihnen bleibt die Fahrt in die Innenstadt erspart. Auch Standorte in anderen großen Städten wie Frankfurt, Hamburg oder Berlin würden die Personalsuche einfacher machen. Doch mit diesem Gedankenspiel tun sich viele Unternehmen schwer. Dabei geht es nur um einen Arbeitsplatz in diesen Städten. Mehr muss es ja oft gar nicht sein.
Märten: Ja, auf jeden Fall. Bessere Homeoffice-Angebote würden die Attraktivität von Unternehmen für neue Mitarbeiter deutlich steigern.
Märten: Sie müssen letzten Endes auf jüngere und unerfahrenere Kandidaten ausweichen. Sie kosten zwar weniger, müssten aber erst angelernt werden. Oder sie müssen ihr Geschäftsmodell überdenken. In München können Sie kein margenarmes Geschäft mit hohem Personaleinsatz mehr fahren. Das klappt nicht mehr.
Die Fragen stellte Anke Pipke.