"Was früher der Firmenwagen war, ist heute das Homeoffice"
Sich nicht mehr jeden Tag ins Büro kämpfen zu müssen, sondern seine Arbeit auch in Ruhe zuhause zu erledigen, wenn der Job es zulässt: Das wünscht sich auch mancher Immobilienprofi. In der Gunst einiger nimmt das Homeoffice heute den Platz ein, der früher dem Firmenwagen gebührte. Personalberater wie Kathrin von Hardenberg und Christoph Hartmann werben für ein größeres Entgegenkommen der Arbeitgeber. Viele Unternehmen hätten noch nicht verstanden, wie wichtig das Thema ist. Und werden kalt erwischt, wenn ein Kandidat deshalb absagt.
Marcus Müller (Name von der Redaktion geändert) kann es immer noch nicht fassen: Sein Wechsel ist geplatzt. Aus dem Nichts hatte er ein Jobangebot erhalten: gute Bezahlung – fast 40% mehr, als er zurzeit verdient -, eine echte Herausforderung und viel Freiraum bei der Gestaltung der ihm zugedachten Rolle. Doch den einen Tag Heimarbeit, den ihm sein jetziger Arbeitgeber zugestand, den wollte ihm die Firma, die bei ihm anklopfte, partout nicht gewähren. Man wolle keinen Präzendenzfall schaffen. Nichts zu machen.
„Ich habe konkrete Fälle in den letzten Jahren erlebt, wo Wechsel unter anderem am Thema Homeoffice gescheitert sind“, bestätigt Christoph Hartmann, Geschäftsführer bei der Personal- und Unternehmensberatung Deininger. „Bewerber gucken sich mehr denn je die Kultur und Philosophie eines Hauses an, bevor sie eine finale Entscheidung treffen. Da gehört der Bereich Homeoffice klar dazu.“
Das Erstaunen ist groß, wenn der eigentlich wechselwillige Favorit dann überraschend doch absagt: „Die Thematik haben wir auf allen Hierarchieebenen“, konstatiert Hartmann, der Positionen in der Immobilienwirtschaft besetzt. „Den einstellenden Unternehmen ist in den entscheidenden Gesprächen nicht immer bewusst, dass Homeoffice heute eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt – oder es wird bewusst nicht berücksichtigt.“ Andere Branchen sind da schon weiter, etwa die IT- oder die Pharmabranche, wie Hartmann von seinen Kollegen weiß.
Die Nachfrage wächst, die Gründe sind vielfältig: Mitfünfziger wollen einfach mal in Ruhe arbeiten und/oder haben keine Lust, sich täglich mühsam durch den Großstadtverkehr zu kämpfen. Mütter und Väter möchten ihren Nachwuchs nicht komplett outsourcen. Wieder andere kümmern sich um Ältere. Selbst Jüngere ohne Nachwuchs oder pflegebedürftige Angehörige fragen heute mit größter Selbstverständlichkeit nach einer flexibleren Arbeitszeit- und -platzgestaltung.
Summa summarum setzen 30 bis 40% der Immobilienprofis das Homeoffice zumindest als ein Auswahlkriterium bei der Jobwahl ein, schätzt Kathrin von Hardenberg, Partnerin bei Indigo Headhunters. „Früher wurde der Firmenwagen über alles gestellt. Der interessiert heute kaum noch einen. An diese Stelle ist jetzt das Homeoffice getreten“, sagt von Hardenberg.
Das Reich der Arbeitgeber zerfällt beim Homeoffice grob in zwei Lager. Neben der Unternehmenskultur spielt auch die technische Ausstattung eine nicht unwichtige Rolle. Da sind die einen, die sich dem Thema zumindest angenähert oder gar schon feste, verlässliche Leitplanken einzogen haben: „Größere Unternehmen – alles jenseits der 300, 400 Mitarbeiter – haben sich auf die wachsende Nachfrage oft schon eingestellt“, sagt von Hardenberg. Über Zusatzvereinbarungen wird das den Mitarbeitern eingeräumte Recht auf Heimarbeit in Arbeitsverträgen fixiert.
Der Teufel steckt im Detail: Wie häufig darf ich das Homeoffice in Anspruch nehmen? Muss ich es ankündigen, wenn ich von dieser Option Gebrauch mache – und wem bin ich zu Rechenschaft verpflichtet? Ist der Datenschutz gewährleistet? „Falls Papiere offen herumliegen, muss der Raum abschließbar sein, damit niemand Zutritt erhält, der nicht zum Unternehmen gehört“, erklärt von Hardenberg. Wird der heimische Rechner auch privat genutzt, muss sich der Mitarbeiter für den Unternehmensaccount separat einloggen.
Gerade in der Immobilienbranche fremdeln viele Firmen mit dem Homeoffice, finden die beiden Personalberater. Meist seien das, meint von Hardenberg, eher patriarchalisch geführte Häuser, wo die Chefs in dem Glauben sozialisiert wurden, dass Führen Kontrollieren bedeutet. „Letztlich hat Homeoffice etwas mit der Offenheit der Führungsspitze zu tun“, resümiert sie. Doch die Arbeitgeber werden die Bedürfnisse zumindest einer Teils ihrer Belegschaft nicht auf Dauer ignorieren können, ist sich die Personalberaterin sicher: „Unternehmen möchten gute Leute haben – dann müssen sie sich auch auf Themen wie Homeoffice einlassen“, fordert von Hardenberg. Wer das tut, wird belohnt, sagt sie: „Mitarbeiter und Kandidaten sehen immer das Gesamtpaket. Wenn ich das eine – Homeoffice und so mehr Lebensqualität – bekomme, schaue ich beim anderen – dem Gehalt – vielleicht nicht mehr ganz so genau hin.“
Das Argument, nicht jeder Job tauge für Homeoffice, lassen die Personalberater nur bedingt gelten. Mitarbeiter in einem Kundenservicecenter mit festen Präsenzzeiten oder Bauarbeiter, Techniker und Facility-Manager, die nah an der Immobilie dran sind, können den Ort ihres Tuns nur schwer in die häuslichen Mauern verlegen. Doch schon Projekt- oder Bauleiter könnten problemlos einen Tag die Woche zuhause ihre Kalkulationen anstellen. Und z.B. für Investment-, Asset-, Portfolio- oder Transaktionsmanager ebenso wie für Investmentmakler und andere Vertriebler ist Homeoffice – mit einer mehr oder minder ausgeprägten Reisetätigkeit – machbar.
Begründungen bleiben Firmen, die Vorbehalte hegen, in aller Regel schuldig, wenn sie bei der Rekrutierung auf Homeoffice-Optionen angesprochen werden, sagt Deininger-Geschäftsführer Hartmann: „Wenn der Kandidat nachfragt, bekommt er eigentlich keine schlüssige Erklärung, meist nur Gemeinplätze wie: Im Büro arbeiten die Mitarbeiter produktiver. Keiner erklärt ihm aber, warum das so sein soll.“