Funke, der Antipath
Sich Freunde machen war noch nie eine große Leidenschaft von Georg Funke. Wozu auch? Was für den ehemaligen Vorstandschef der Hypo Real Estate (HRE) zählte, war allein das Geschäft, der Deal. Dafür arbeitete er hart. Das Menschliche? Unwichtig. Networking? Zweitrangig. Wenn Anfang Mai Funkes Klage auf Wiedereinstellung vor dem Münchner Landgericht verhandelt wird, werden die Gefühle wieder hochkochen. Es wird Beschimpfungen und Demütigungen geben. Vielleicht wird ihm sogar Hass entgegenschlagen. Das ist Funke aber egal. Was zählt, ist der Deal – dafür hat er immer gekämpft.
Ende April wird Georg Funke 55 Jahre alt. Etwas früh, um sich zur Ruhe zu setzen. Gerade für einen wie Funke. Der gebürtige Gelsenkirchener ist ein echtes Arbeitstier. Einer, der weiß, was er will und sich dafür mächtig ins Zeug legt.
Hochgearbeitet hat er sich. Vom Verwalter Essener Sozialwohnungen bei der Westdeutschen Wohnhäuser AG bis zum Chef eines weltweit aktiven DAX-Unternehmens. Als geradlinig, unprätentiös und pragmatisch beschreiben ihn Weggefährten von damals. Klingt positiv. Skrupellos, arrogant, größenwahnsinnig hingegen nicht. Auch das wird Funke nachgesagt.
Leise repariert er die Bank, verkauft massenweise Problemkredite und verbrieft, was das Zeug hält. Erfolg auf ganzer Linie. Funkes HRE schreibt früher und höher als erwartet Gewinne. An der Börse wird gejubelt, die HRE schafft am 19. Dezember 2005 den Sprung in den DAX. Funke wird gefeiert.
Er selbst feiert nicht. Lieber schuftet er. Er weiß, dass er mit seiner HRE das Maximum erreicht hat. Wachsen geht nur noch über Zukäufe. Im Juli 2007 hat er den Depfa-Kauf unter Dach und Fach. Ein halbes Jahr später gerät die HRE in den Strudel der Finanzkrise. Im Oktober 2008 muss Funke seine HRE verlassen.
Nach Überzeugung eines ehemaligen Bankkollegen hatte er gar autistische Züge. Einmal sagte Funke zu ihm: „Sie brauchen keine Weihnachtskarten zu schreiben. Der Kunde kommt schon, wenn er was will.“ Die Beziehungen zu den Kunden hätten für Funke nie eine Rolle gespielt. „Ihn interessierte nur der Deal.“
Seinen Geschäftspartnern blieb diese Einstellung offenbar nicht verborgen. Sympathien hat Funke in seinem Umfeld jedenfalls nicht geweckt. „Da war ein Rupert Hackl von der Eurohypo öfter in aller Munde, als es Funke jemals hätte sein können“, so ein Kenner des Münchner Finanz- und Immobilienmarkts.
Selfmademan Funke
Genau der Richtige
Aber: Der Erfolg gab ihm Recht. Aus einem dürftig kapitalisierten und ertragsschwachen Unternehmen formte er innerhalb weniger Jahre eine hochprofitable Bank. Niemand in dem einstigen HRE-Mutterkonzern HypoVereinsbank (HVB) hatte das für möglich gehalten. „Funke war genau der richtige Mann für diesen Job“, glaubt ein ehemaliger HVB-Manager.
Im Gegensatz zu seinen Kollegen war der Ruhrpottler kein traditioneller deutscher Hypothekenbanker. Das Finanzierungsgeschäft lernte er bei der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank, einem der beiden Vorgängerinstitute der HVB, in London kennen. Kredite vergeben, bündeln, in Wertpapiere umwandeln und an Dritte weiterverkaufen – das war Funkes Verständnis vom Immobilienbanking, und das übertrug er eins zu eins auf die HRE. „Die HRE war gierig, forsch und mutig, aber nicht dilettantisch“, stellt ein anderer hochrangiger Ex-HVB-Banker klar. „Die haben es verstanden, gute Leute von Mitbewerbern wegzukaufen“, lobt ein Finanzexperte Funkes Geschick. Viel, aber durchaus gutes Geschäft habe seine Truppe gemacht. Sein persönliches Auftreten hat er als gutsherrenartig in Erinnerung. „Großen Widerspruch hat er jedenfalls nicht geduldet.“
Zum Wachsen verdammt
Immer weiter, immer schneller – das Motto Funkes, wie es ein HRE-Angestellter beschreibt. „Sehr präsent“ sei er gewesen, „immer ziemlich aufgebraust. Da war Dampf unter dem Kessel“, sagt er. Starallüren habe er aber trotz des steilen Aufstiegs nicht gehabt. „Die dollsten Klamotten hat er nicht getragen, und sein Münchner Büro war so klein, dass man da nicht zu dritt sitzen konnte.“ Funke blieb bodenständig.
Trotz des atemberaubenden Erfolgs wusste Funke, dass er in einem Dilemma steckte. „Ich bin zum Wachsen verdammt“, sagte er lange vor dem Depfa-Deal zu einem ihm bekannten Vorstand einer anderen Bank. Als dieser Kauf eingefädelt wurde, muss es nach Meinung des Bankers passiert sein: „Funke wurde größenwahnsinnig.“ Jeder in der Finanzbranche wusste, dass die Depfa „ein großes Rad dreht“. Doch Funke hatte sich bereits entschieden. Er brauchte eine neue Story, nachdem die Übernahme der größeren Eurohypo zwei Jahre zuvor gescheitert war. „Funke war ein Gefangener seiner Wachtumsphilosophie. Die Depfa war eine Verzweiflungstat“, ist er sich sicher.
Am 6. Mai starten die Verhandlungen vor dem Münchner Landgericht. Funke und zwei seiner ehemaligen Vorstandskollegen klagen gegen ihre fristlosen Kündigungen. Funke will seinen bis September 2013 laufenden Anstellungsvertrag wieder aufleben lassen und pro Jahr 800.000 Euro einstreichen. Außerdem klagt er auf Zahlung eines Ruhegelds von 560.000 Euro – jährlich.
Der letzte Kampf
Die HRE wirft Funke eine zu laxe Prüfung des Geschäftsmodells der Depfa-Gruppe angesichts der fortschreitenden Finanzkrise sowie mangelndes Liquiditäts-Risikomanagement vor. Der Bank liegen nach Auskunft des Aufsichtsrats deutliche Hinweise auf Pflichtverletzungen vor. Zu einem öffentlichen Tête-à-tête der Kontrahenten vor Gericht kommt es dabei nicht. Geführt werden die Verhandlungen als Urkundenprozess, bei dem die Parteien ihre Argumente schriftlich vortragen. Bis ein Urteil gesprochen wird, dürfte es dauern. „Da wird die ganze Bankenkrise aufgearbeitet“, heißt es aus dem Umfeld der HRE.
Es dürfte der letzte große Kampf Funkes werden, zumindest in Deutschland. „Der wird hier seines Lebens nicht mehr glücklich“, ist sich ein ehemaliger Mitarbeiter Funkes sicher. Seine zwei Kinder seien gemobbt worden. Angeblich weilt Funke mit seiner Familie bereits im Ausland. Seine beiden Münchner Villen werden derzeit jedenfalls nicht mehr von ihm bewohnt.
Nachtrauern wird ihm außer den engsten Bekannten vermutlich niemand. Auch nicht bei seinem alten Arbeitgeber: „Der hat hier viele Lebensläufe zerstört“, klagt ein Angestellter der HRE.